Anton Bruckners 1. Symphonie „erstaufgeführt”

„Pressekonferenz im Rahmen der Salzburger Festspiele zur Aufführung der ersten Symphonie von Anton Bruckner nach der Neuen Anton Bruckner Gesamtaufgabe mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Dirigent: Cornelius Meister, am 9. August 2014.

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Zu einer hochkarätig besetzten Pressekonferenz luden der Österreichische Rundfunk und der Musikwissenschaftliche Verlag Wien vor einem Konzert des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien unter dem Dirigat von Cornelius Meister bei den Salzburger Festspielen. Der besondere Anlass: Die erstmalige Aufführung der ersten Symphonie von Anton Bruckner nach den soeben fertiggestellten Noten der Neuen Anton Bruckner Gesamtausgabe.

Gleich zu Beginn betonte Verlagsleiterin Angela Pachovsky die Wichtigkeit der praktischen Einsetzbarkeit der neuen Gesamtausgabe. Es sei wesentlich den neueren Erkenntnissen von Editionsarbeit zu folgen und den neuesten Stand der Bruckner-Forschung einzuarbeiten. Damit dies auf möglichst breiter Basis geschehen kann, steht die neue Ausgabe unter der Betreuung eines Editionsteam, das vorab die Richtlinien zur Herausgabe erarbeitete. Anhand dieser erstellte der Stuttgarter Musikwissenschaftler Thomas Röder die Partitur zur Ersten nach ihrer Urgestalt. Unvermindert wird auch die bisherige Gesamtausgabe zur Verfügung stehen, um bestehenden Gewohnheiten von Dirigenten und Orchestern Rechnung tragen zu können.

Clemens Hellsberg, Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker über deren Motivation, die Patronanz über die Neue Anton Bruckner Gesamtausgabe zu übernehmen: "Gerade was Anton Bruckner anbelangt, gibt es auch einen historischen Aspekt - beginnend bei der direkten Beziehung unseres Orchesters zu Bruckner selbst. [...] „Es hat lange gedauert, bis sich das Orchester seinem Werk geöffnet hat, das heute eine Säule unserer Repertoires ist.”

Cornelius Meister, seit 2010 Chefdirigent des Orchesters: „Warum habe ich mich zusammen mit dem RSO Wien mit großer Freude darum bemüht, dass wir die Ersten sind, die diese neue Ausgabe verwenden? - Wir Musiker freuen uns, wenn Notenausgaben sowohl wissenschaftlich fundiert erarbeitet als auch für die Praxis gut aufführbar sind. [...] Antworten auf fragliche Stellen in bisher bestehenden Ausgaben werden durch die neue Ausgabe gegeben!” - Ein Ziel der aktuellen Aufführung sei auch, in Rücksprache mit den Herausgebern zur idealen Version zu gelangen.

Detailliert fand die neue Darstellung der Symphonie auch Niederschlag in der Presse:
„Die Erste in der Urgestalt: Das bedeutet zumindest zwei Überraschungen, die auch ohne Blick in die Partitur sofort auffallen. Unbekümmert und forsch geht Bruckner gleich mit dem ersten Takt in medias res und lässt das Hauptthema ohne Umschweife auftreten - später sah er sich seinem Drang zu metrischer Korrektheit verpflichtet, noch einen Takt mit dem Schreiten der tiefen Streicher voranzustellen. Und am Schluss des Finales fehlt zwischen den wuchtigen Tuttischlägen der nachträglich ergänzte Hauptthemenrhythmus in den Trompeten. Dazwischen liegen vor allem viele unterschiedlich instrumentierte Details, die oft nahelegen, Bruckner habe sich von seinen ursprünglichen, wagemutigeren Klangvorstellungen bei den Retuschen in Richtung Praktikabilität bewegt: ein faszinierender Blick in seine Werkstatt.” (wawe, Die Presse, 11. August 2014)
„Das von Bruckner selbst als ‚keckes Beserl’, forsche junge Dame, bezeichnete Stück [...] erklang in der neusten Urtextversion, angeblich genauso wie anno 1868 bei der Uraufführung. Die Unterschiede zur bisher geläufigen ‚Linzer Fassung’ sind eher marginal; manches klingt schärfer, dissonanter. Der späteren ‚Wiener Fassung’ mit ihren Glättungen sind die jugendlich frischen Linzer Versionen auf jeden Fall vorzuziehen.” (www.drehpunktkultur.at, 10. August 2014),